Was passiert mit dem Depotvermögen im Falle einer Scheidung?

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Eine wichtige Frage vorweg: “Hast du dich schon mal gefragt, wie und ob du dein Depotvermögen im Falle einer Scheidung schützen kannst?“


Mit der Hochzeit entscheiden sich viele Ehepaare nicht nur für eine gemeinsame Zukunft, sondern auch für eine wirtschaftliche Gemeinschaft. Kommt es dann zu einer Scheidung, wird es meist schmerzhaft. Auch für das Depotvermögen. Diese finanziellen Auswirkungen werden oftmals sträflich vernachlässigt.


Damit das Ziel des Vermögensaufbaus nicht mal eben mit der Scheidung zunichte gemacht wird, gibt es einiges zu beachten. Was kann man also tun, um sein Depotvermögen bestmöglich zu schützen? Und was passiert mit den Wertpapieren bzw. unter welchen Umständen muss ein Teil der Wertpapiere veräußert werden?


Um diese und noch weitere Fragen zu klären, habe ich Niklas Clamann interviewt. Hier gelangst du zu seiner Website: Scheidung Online

 

Niklas Clamann ist ein Fachexperte im Bereich des Familienrechts und hat sich insbesondere auf die Durchführung von Online Scheidungen spezialisiert. Zusätzlich betreibt er noch eine Kanzlei in Münster, für alle, die es lieber persönlicher mögen.



1. Ohne besondere Vereinbarung leben Ehepartner automatisch im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Ist das überhaupt vorteilhaft im Hinblick auf Investitionen?

Niklas Clamann: Wer innerhalb einer Ehe investiert oder Investitionen hält, muss sich bewusst machen, dass er im Falle des Scheiterns der Ehe eventuell einen Teil der aus diesen Investitionen erzielten Gewinne wieder abgeben muss. Bedingt durch den Güterstand der Zugewinngemeinschaft kann jeder Ehegatte mit der Ehescheidung auch das Verfahren des Zugewinnausgleichs beantragen. Beim Zugewinnausgleich wird das von den Ehegatten während der Ehe hinzugewonnene Vermögen aufgeteilt. Dafür spielt es keine Rolle, ob das Vermögen durch Sparen auf dem Konto, Wertzuwachs einer Immobilie oder Wertsteigerung von Wertpapieren erwirtschaftet wurde. Auch ein Lottogewinn zählt als Zugewinn. 

Wer also beispielsweise während der Ehe in ETFs investiert hat und sich nach fünf Jahren darüber freut, dass er oder sie eine jährliche Rendite in Höhe von 7 % erzielt hat, sollte immer im Hinterkopf behalten, dass diese Rendite einen Zugewinn darstellt, der auf Antrag des anderen Ehegatten beim Scheitern der Ehe zwischen den Ehegatten aufgeteilt wird. 

Wer also sichergehen will, dass er oder sie seine oder ihre Investitionen trotz Ehe für den Fall einer Scheidung für sich behält, muss gemeinsam mit dem anderen Ehegatten rechtswirksam auf die Durchführung des Zugewinnausgleichs verzichten oder den Güterstand der Gütertrennung vereinbaren.

 

2. Muss man im Falle einer Scheidung einen Teil seiner Wertpapiere tatsächlich verkaufen, auch wenn der Zeitpunkt nicht besonders günstig ist? Welche Stichtage gelten hier? Was ist bei Kursverlusten zu beachten?

 

Niklas Clamann: Wenn sich die Ehegatten scheiden lassen und einer von beiden das Verfahren des Zugewinnausgleichs beantragt, wird das während der Ehe hinzugewonnene Vermögen der Ehegatten ausgeglichen. Der Ausgleich findet jedoch nicht etwa dergestalt statt, dass die tatsächlich vorhandenen Vermögenswerte, beispielsweise Immobilien oder Wertpapiere, zwischen den Ehegatten aufgeteilt werden. Es wird stattdessen, wenn festgestellt wurde, dass ein Ehegatte mehr Zugewinn erzielt hat als der andere, von diesem Ehegatten eine Ausgleichszahlung geleistet. Nur für den Fall, dass der ausgleichspflichtige Ehegatte die Ausgleichszahlung aus dem Kontovermögen nicht leisten kann, muss er Vermögenswerte veräußern, um die Zahlung leisten zu können. Dann kann es unter Umständen notwendig sein, dass Wertpapiere verkauft werden müssen, obwohl der Zeitpunkt ungünstig ist, um die Ausgleichszahlung leisten zu können. Denn der ausgleichsberechtigte Ehegatte kann ansonsten, wenn die Zahlungspflicht gerichtlich festgestellt wurde, gegen den ausgleichspflichtigen Ehegatten die Zwangsvollstreckung einleiten.

 

Stichtage für die Berechnung des Zugewinns der Ehegatten sind für das Anfangsvermögen der Tag der Heirat und für das Endvermögen der Tag, an dem das Gericht den Scheidungsantrag vom antragstellenden Ehegatten an den anderen Ehegatten zustellt. Stichtag für die Pflicht zur Leistung der Zugewinnausgleichszahlung ist der Tag, an dem der gerichtliche Beschluss über das Zugewinnausgleichsverfahren rechtskräftig wird. Den Ehegatten steht es jedoch frei, für die Zahlungspflicht einen beliebigen Stichtag zu wählen oder eine Ratenzahlung zu vereinbaren.

 

Verlieren die Wertpapiere während der Ehe an Wert, wird dies bei der Berechnung des Zugewinns ebenfalls berücksichtigt. Kursverluste schmälern den Zugewinn eines Ehegatten mit der Folge, dass dieser im Falle eines Zugewinnausgleichsverfahrens einen geringeren Ausgleich zu leisten hat oder, falls er oder sie ausgleichsberechtigt ist, eine höhere Ausgleichszahlung erhält.

 

3. Wenn ein Ehepartner sein Geld während der Ehe investiert und der andere dies eher verkonsumiert hat – Gibt es dann Möglichkeiten sein Depotvermögen vor den Ansprüchen seines Ehepartners zu schützen?

Niklas Clamann: Nachträglich besteht diese Möglichkeit leider nicht.

 

Wer nach der Trennung sein Vermögen verschwendet, um vom bevorstehenden Zugewinnausgleichsverfahren zu profitieren oder um im Rahmen dieses Verfahrens keine Ausgleichszahlung leisten zu müssen, wird damit nicht erfolgreich sein. Diese Verschwendung nennt der Gesetzgeber „illoyale Vermögensverfügung“. Wird gerichtlich festgestellt, dass ein Ehegatte sein Vermögen auf diese Art und Weise verschwendet hat, so wird er so gestellt, als verfüge er noch über dieses Vermögen. So kann sich kein Ehegatte dem Zugewinnausgleichsverfahren mit dem Hintergedanken „lieber verschwende ich alles, als es meinem/meiner Ex zu zahlen“ entziehen.

 

Daher empfiehlt es sich, von Beginn der Ehe an einen Ehevertrag abzuschließen. In einem Ehevertrag können wechselseitige Ansprüche hinsichtlich des Zugewinnausgleichs ausgeschlossen werden. Dort kann beispielsweise vereinbart werden, dass ein Zugewinnausgleichsverfahren zwar durchzuführen ist, Wertpapiere dabei aber unberücksichtigt bleiben.

 

4. Was passiert mit den Wertpapieren, die man bereits vor der Eheschließung erworben hat?

 

Niklas Clamann: Bei Wertpapieren, die schon bei der Eheschließung vorhanden waren, zählen nur etwaige Gewinne oder Verluste. Diese Wertpapiere werden dem Anfangsvermögen hinzugerechnet und werden daher nur relevant, wenn sie zum Ende der Ehe an Wert hinzugewonnen oder verloren haben. Ändert sich der Wert der Wertpapiere, die bereits bei Eheschließung vorhanden waren, über die gesamte Ehezeit nicht, so haben diese keinen Einfluss auf das Zugewinnausgleichsverfahren.

 

5. Gibt es etwas, was man im Vorfeld regeln kann oder regeln sollte?

 

Niklas Clamann: Es ist definitiv empfehlenswert, sich entsprechend der individuellen Vorstellungen und Wünsche der Ehegatten anwaltlich beraten zu lassen und sodann einen Ehevertrag abzuschließen. Hier können insbesondere Regelungen zum Zugewinnausgleich getroffen werden, beispielsweise ein wechselseitiger Verzicht auf die Durchführung des Zugewinnausgleichs. 


Viele Ehegatten möchten bestimmte Vermögenswerte vom Zugewinnausgleichsverfahren ausschließen, beispielsweise Wertpapiere. Auch das ist über einen Ehevertrag möglich. Ebenso können hinsichtlich der Aufteilung der Rente, dem sogenannten Versorgungsausgleich, und Unterhaltsansprüchen Regelungen getroffen werden. 


Ein Ehevertrag sollte immer individuell auf die Bedürfnisse und die Situation der Ehegatten angepasst werden, daher kann hier keine allgemeine Empfehlung dahingehend ausgesprochen werden, was geregelt werden sollte. Grundsätzlich sollten Ehegatten oder Paare, die die Ehe eingehen möchten, sich immer auch mit dem Thema des möglichen Scheiterns der Ehe auseinandersetzen und diesbezügliche Regelungen treffen. Selbstverständlich kann eine solche Regelung auch unterbleiben, sodass dann die gesetzlichen Regelungen greifen. Diese sind jedoch nicht immer für jedes Ehepaar die beste Lösung. 

 

 

6. Haben Sie ein Beispiel aus der Praxis, welches Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist, oder was immer wieder vorkommt?

 

Niklas Clamann: Ich kann aus meiner Erfahrung aus vielen Zugewinnausgleichsverfahren zwar keine besondere Anekdote erzählen, aber einen wertvollen Tipp geben:

 

Wenn Sie die Ehe eingehen, halten Sie in jedem Fall für sich fest, welches Vermögen am Tag der Eheschließung vorhanden ist und bewahren Sie entsprechende Vermögensnachweise gut auf. Gerade bei langen Ehedauern passiert es immer wieder, dass Ehegatten sich nicht mehr daran erinnern können, welches Vermögen auf ihrer Seite bei Eheschließung vor 20 oder 30 Jahren vorhanden war. Insbesondere können hier meistens keine Nachweise mehr beschafft werden. Wenn dieser Fall eintritt, wird das Anfangsvermögen dieses Ehegatten mit 0 angesetzt, da jeder Ehegatte für die Höhe seines Anfangsvermögen beweispflichtig ist. Wenn ich kein Anfangsvermögen nachweisen kann, ist die Differenz zum Endvermögen automatisch höher – und damit habe ich im Zugewinnausgleichsverfahren später einen großen Nachteil.

 

Herzlichen Dank an Herrn Clamann, dass er freundlicherweise seine Expertise für dieses sehr emotionale und auch finanziell bedeutsame Thema zur Verfügung gestellt hat.

 
 

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